Wie funktioniert eigentlich eure Tour mit den Liegeraedern?
Ohne großartige Planung und das ist gut so, denn wir lassen uns viel lieber einfach treiben. Wir wissen grob, in welche Richtung wir fahren wollen (aktuell ueber Polen durchs Baltikum). Dann blaettern wir eine Runde in unserem sehr empfehlenswerten Radfuehrer (Fahrradfuehrer Europa vom Reise Know-How Verlag) und ueberlegen, welche Landesteile in welcher Reihenfolge interessant klingen. Anschliessend werfen wir den Routenplaner an und lassen ein paar Alternativen fuer die erste Etappe berechnen. Und dann geht’s auch schon los. 😉
Unterwegs treffen wir dann oft jemanden, der uns einen Tipp fuer ein besonders lohnendes Reiseziel oder eine schoene Route gibt und wenn das halbwegs zu unserer Richtung passt, machen wir das einfach.
Und wenn wir spontan eine nette Enladung bekommen, dann kann es durchaus sein, dass wir ein paar Tage „haengenbleiben“…
Welche Modifikationen habt ihr an euren Raedern vorgenommen?
Wir haben „Weltreisereifen“ aufgezogen, denn man kann ja nie wissen… Im tiefen Sand, Schotter, Matsch, Wiese etc. hat sich die 2,25er-Breite schon oft bezahlt gemacht, der Reifen laeuft auf Asphalt trotzdem sehr leicht und ist sogar faltbar.
Am hinteren Schutzblech haben wir extra lange Spritzschutzlappen angebracht, damit der Hintermann bei schlechtem Wetter nicht alles ins Gesicht bekommt. – Das koennen wir anderen Reiseradlern nur waermstens empfehlen, wenn ihr mit mehreren unterwegs seid.
Weil wir uns bei der Navigation auf elektronische Geraete verlassen und wir hinsichtlich der Stromversorgung unabhaengig sein wollten, haben wir ein Rad mit einem ziemlich genialen Ladegeraet ausstatten lassen. Dazu spaeter mehr.
Wie navigiert ihr?
Wir verlassen uns auf die Technik und navigieren mit dem Smartphone. – Entgegen weitlaeufiger Meinung brauchen wir dazu aber keine staendige Internetverbindung, sondern nutzen den eingebauten GPS-Empfaenger im Offline-Modus.
Wir nutzen kostenfrei verfuegbare Karten, die uns immer wieder aufs Neue mit ihrer Detailgenauigkeit ueberraschen. Im Gegensatz zu einer Papierkarte koennen wir hier den Massstab beliebig veraendern und Fahrradwege sind auch eingezeichnet. 😉
Zur groben Orientierung und fuer den Fall eines Technikausfalls haben wir noch eine Karte des jeweiligen Landes dabei.
Zur Anzeige der Karten verwenden wir Oruxmaps und fuer die Fahrradnavigation unter Beruecksichtigung von Radwegen und Hoehenmetern die Software BRouter. Beide Programme sind freeware und funktionieren einfach genial, wenn man sich einmal eingearbeitet hat.
Welche elektrischen Geraete habt ihr ueberhaupt dabei?
Smartphone, eBook-Reader, 2 Kameras, Kopflampen, Ladegeraet (im Fahrrad und extern)
Und wie genau ladet ihr sie auf?
In Felix‘ Rad sind vorne im Rahmen drei Spezialakkus samt Ladetechnik verbaut, der sogenannte Forumslader. Diese werden waehrend der Fahrt vom Nabendynamo staendig geladen und speisen dann ihrerseits – auch im Stand – andere elektrische Geraete. Somit hat das Smartphone-Navi waehrend der Fahrt kontinuierlich Strom, die Lichtanlage kann auch im Stand mit voller Leistung genutzt werden und ueber einen zusaetzlichen 12V-Ausgang koennen wir ein externes Ladegeraet anschliessen, mit dem wir dann die Kamera- und Kopflampenakkus aufladen. Das heisst wir sind voellig autark unterwegs.
Und jetzt wird’s richtig cool: der Forumslader hat auch ein Bluetooth-Modul und kann ueber eine entsprechende App mit dem Smartphone kommunizieren. Dieser Radcomputer zeichnet neben den ueblichen Daten auch die Temperatur und die Hoehenmeter auf und gibt ausserdem Auskunft ueber den Zustand der einzelnen Zellen und die Ladekapazitaet. Yeah! 😉
Wie viele KM fahrt ihr denn so am Tag?
Och… Immer diese leidige Frage.
Da wir keine Rekorde anstreben, ist zwischen nix und 100 alles dabei.
Ist das eigentlich bequem, so zu fahren?
Na klar, was fuer eine Frage! Genau deswegen fahren wir doch mit den Liegeraedern: Nix tut weh, keine Verspannungen, ein bequemer Sitz samt Heckfederung – und eine tolle Aussicht. 😉
Und was ist der grosse Vorteil eurer Raeder?
Der Komfort! Dann waere da noch der tiefere Schwerpunkt und die damit verbundene bessere Strassenlage. Naja, mehr Gepaeck geht auch dran, wie man sieht. Und die Lastverteilung ist sogar besser mit dem ganzen Gepaeck. Außerdem ist da noch die erhoehte Sicherheit: Durch einen deutlich verkuerzten Bremsweg (wegen des tiefen Schwerpunktes) ist ein Absteigen „ueber den Lenker“ quasi ausgeschlossen, der Rahmen wirkt vorne als Stossfaenger, der Kopf ist weiter hinten und damit geschuetzter, man kann nicht so tief fallen und man faellt mehr ins Auge durch das ungewohnte Erscheinungsbild. Klar, die Aerodynamik ist auch deutlich besser, d.h. wir sind schneller unterwegs und weniger anfaellig fuer Gegenwind als mit den normalen Raedern.
Was ist fuer euch Luxus?
Zeit zu haben ohne Verpflichtungen im Hinterkopf ist der groesste Luxus.
Habt ihr schon viele Leute getroffen?
Ja, haben wir. Sehr viele sehr gastfreundliche und aufgeschlossene Menschen. Und es werden staendig mehr.
Wo bekommt ihr Hilfe unterwegs?
Fuer Reiseradler gibt es das Warmshowers-Netzwerk. Abgesehen von Unterkunft und Dusche haben wir von anderen Mitgliedern auch schon einige sehr hilfreiche Tipps fuer Werkstaetten etc. erhalten.
Wie wascht ihr eure Waesche unterwegs?
Wenn wir nicht gelegentlich eine Waschmaschine finden, machen wir eine Handwaesche in unserer Faltschuessel.
Eure Tipps fuer andere Reiselustige?
Ueberlegt euch Passwoerter, die ihr auch mit „auslaendischen“ Tastaturen tippen koennt. Oder lernt den ASCII-Code auswendig…
Wenn ihr mit dem Rad unterwegs seid, meldet euch bei Warmshowers an – s.o.
Schreibt einen Blog, denn das hat viele nuetzliche Nebeneffekte: ihr sichtet eure Bilder in regelmaessigen Abstaenden und mistet sie aus, ihr habt eine Rueckblende ueber die Zeit seit dem letzten Eintrag, ihr bleibt mit Freunden in Kontakt, ihr habt etwas, was ihr an neue Bekanntschaften weitergeben koennt und eure Freunde zuhause freuen sich und koennen vielleicht auch besser nachvollziehen, was die Reise mit euch gemacht hat; ausserdem habt ihr ein zusaetzliches Tagebuch.
Nehmt fuer jeden Reisenden eine eigene Kamera mit, denn jeder hat seinen eigenen Blickwinkel und das spiegelt sich auch in den Fotos wieder.
Welche und wie viele Ausruestungsgegenstaende ihr mitnehmen wollt, haengt natuerlich von vielen Faktoren ab. Wir sind besonders mit den nachfolgenden Teilen sehr zufrieden:
- Merino-Shirts – weil sie extrem schnell trocknen, auch nach tagelangem intensiven Gebrauch kaum Gerueche annehmen, temperaturregulierend wirken und zudem nicht kratzen
- Mikrofaser-Handtuecher von decathlon – danke an Kirstin fuer den Tipp! – gute Qualitaet, schnelltrocknend und sehr preisguenstig
- Rueckspiegel – damit habt ihr eure Mitfahrer im Blick und v.a. auch den rueckwaertigen Verkehr oder eventuelle Verfolger (Hunde!)
- apropos Hunde: wir haben jeder eine kompakte und extrem laute Pfeife (acme tornado slimline) in staendiger Reichweite – damit haben wir schon erfolgreich Hundeattacken abgewehrt oder uns waehrend der Fahrt ueber grosse Distanzen verstaendigt
- Bildwoerterbuch – bei Unkenntnis der Landessprache, besonders in Notfaellen hilfreich
- als multifunktionale Schneideunterlage hat sich das Trangia-Schneidbrett bewaehrt, mit dem man gleichzeitig auch das (Nudel)Wasser abgiessen kann 😉
- „Berghaferl“ statt Tellern und Tassen – die lassen sich ineinander stapeln, man kann damit Wasser schoepfen usw.
- Knipex Mini-Zangenschluessel zusaetzlich zum ueblichen Werkzeug – der ist kompakt, relativ leicht und deckt so ziemlich alle am Fahrrad vorkommenden Mutterngroessen ab
- wir sind grosse Fans einer guten Dynamo-Lichtanlage, fuers Sehen und Gesehenwerden und um von Akkus oder Batterien unabhaengig zu sein
- Smartphone mit Karten-App, zumindest als Backup zur Papierkarte – weil es oft sehr hilfreich ist, wenn man genau sieht, wo auf der Karte der eigene Standort ist
- den Forumslader haben wir ja schon mehrfach erwaehnt – es gibt aber auch verschiedene Alternativen
- ein kleines aber feines Detail sind flexible Zeltleinenspanner von Exped – die gibt’s auch einzeln zu kaufen und sie sind sehr vielfaeltig nutzbar: um das Zelt gegen einen Baum oder das Rad abzuspannen, als Waescheleine etc.
- falls ihr Luft-Isomatten dabei habt, dann schaut euch die „Sitz-Ueberzuege“ dazu an; wir lieben sie 😉
- fuer unsere Querpacktaschen verwenden wir die Spanngurte „Lynx Hooks“ – von 50-120 cm Länge einstellbar, grosse Kunststoffhaken. Man kann die Spanngurte einfach miteinander verbinden fuer mehr Laenge oder mit mehreren Spanngurten z. B. ein „Spinnennetz“ oder eine Vierpunktbefestigung realisieren. Wir finden staendig neue Einsatzmoeglichkeiten dafuer, z.B. zum Schlafsacklueften, …
- Ortlieb-Außentaschen sind eine geniale Sache, um mehr Ordnung ins (wasserdichte) Gepäck zu bekommen und schnellen Zugriff auf oft benötigte Gegenstände zu haben. Oder man nutzt sie, um den Kocher samt Brennstoff getrennt von den Lebensmitteln aufzubewahren oder oder oder…
- Uebrigens passen die großen Außentaschen – entgegen den Herstellerempfehlungen – auch sehr gut an die normalen Fahrradpacktaschen; man sollte sie nur nicht zu schwer beladen.
Und wer an diesen Taschen die Reflektoren vermisst: Ein Anruf oder Mail an den Ortlieb-Service und ihr bekommt die Reflektoren zum Aufbuegeln per Post zugeschickt. Umsonst!
Nein, wir werden nicht gesponsert. Weitere Infos ueber Hersteller und Bezugsquellen koennt ihr gerne auf Anfrage von uns bekommen.
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